Depressionen bei Herzpatienten

Etwa 15 % der Patienten mit einer chronischen Herzerkrankung weisen auch eine depressive Symptomatik auf. Das Sterberisiko nach einem Myokardinfarkt ist bei Patienten mit Depressionen um das 4-fache erhöht. Das Dilemma: Viele Antidepressiva sind für Herzpatienten ungeeignet. Bei welchen Medikamenten ist Vorsicht geboten?
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Trizyklika für Herzpatienten ungeeignet

Obwohl es nicht immer gelingt, mit einer antidepressiven Therapie die kardiale Prognose zu verbessern, kann damit doch die Lebensqualität gesteigert werden.2 Bei der Auswahl eines geeigneten Antidepressivums müssen jedoch mögliche unerwünschte kardiale Nebenwirkungen beachtet und potenzielle pharmakokinetische und/oder pharmakodynamische Wechselwirkungen weitgehend ausgeschlossen werden.1

Extreme Vorsicht ist bei trizyklischen Antidepressiva (TZA) geboten, insbesondere bei Patienten mit kardialen Erregungsleitstörungen und Arrhythmien. Die Wirkung von TZA entspricht der von Antiarrhythmika vom Typ 1a. Über einen chinidinartigen Effekt verlangsamen sie die Erregungsleitfähigkeit und führen so zu einer Verlängerung der PQ-, QRS- und QTc-Zeit. Eine gesteigerte Infarkthäufigkeit bei der Langzeiteinnahme wurde beschrieben.2

QT-Zeit-Verlängerung: Vorsicht bei SSRIs

Durch die hohe Rezeptor-Selektivität von SSRI (selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer) sind diese bei Herzpatienten bevorzugt einzusetzen.2 Doch auch hier ist ein waches Auge gefragt: Rote-Hand-Briefe zu Citalopram und Escitalopram warnten vor dosisabhängiger QT-Zeit-Verlängerung im EKG bei Patienten mit potenziellem Risiko für Torsade des Pointes-Arrhythmien.1

Wichtig für alle Patienten: Wegen der chinidinartigen Effekte von TZA auf die Reizleitung und des Risikos einer QTc-Zeit-Verlängerung unter SSRI (v. a. bei höheren Dosierungen) sind EKG-Kontrollen vor Behandlungsbeginn, nach Aufdosierung und in Abhängigkeit von Dosierung und Risiko auch im Verlauf notwendig!1
Mehr zu Verlaufskontrollen lesen Sie hier.

    • Gibt es gleichwertige Präparate ohne Potenzial für eine QT-Zeit-Verlängerung, sollten diese bevorzugt werden.
    • Bevor diese Wirkstoffe verordnet werden, sollte in der Anamnese nach früheren Synkopen oder plötzlichen, vorzeitigen (ungeklärten) Todesfälle in der Familie gefragt werden. Auch plötzliche Kindstode als Hinweis auf ein angeborenes Long-QT-Syndrom sollte erfragt werden.
    • Die Medikation sollte abgesetzt werden, wenn die QTc-Zeit um > 50 ms zunimmt oder wenn die absolute QTc-Zeit 500 ms überschreitet.
    • Eine Kombination mit weiteren Arzneimitteln, die die QT-Zeit verlängern, ist zu vermeiden.
    • Auf Arzneimittelinteraktionen, die zu einer Erhöhung des Serumspiegels des QT-Zeit-verlängernden Arzneistoffs führen, ist zu achten.

    Kombination mit kardiovaskulären Wirkstoffen: Was geht, was geht nicht?

    Neben kardialen Nebenwirkungen sind bei der Auswahl des Antidepressivums auch spezifische Wechselwirkungen zu beachten. So kann beispielsweise eine Komedikation von Citalopram mit Metoprolol zu einer Spiegelerhöhung des Betablockers führen.4 Eine kompakte Übersicht relevanter Wechselwirkungen gibt Tabelle 1.

    Tab. 1: Übersicht über geeignete und ungeeignete Kombinationen von häufig verordneten Antidepressiva mit Wirkstoffen zur Behandlung kardiovaskulärer Erkrankungen

    Quellen: Rote Liste (zuletzt abgerufen Jan. 2021); Fachinformationen (Stand 2020); mediQ – Qualitätszentrum für Medikamentensicherheit und Diagnostik (www.mediQ.ch) zuletzt abgerufen 08.01.2021.

    Hochdosierter Johanniskraut-Extrakt als Alternative?

    Eine gleichzeitige Medikation von Johanniskraut-Extrakt mit häufig verordneten kardiovaskulären Wirkstoffen, wie beispielsweise Metoprolol, Ramipril oder Candesartan ist möglich. Vermieden werden sollte jedoch eine Kombination von Johanniskraut mit dem Calcium-Antagonisten Verapamil. Durch die CYP450-Induktion kann es hierbei zu einer Wirkverminderung des komedizierten Arzneistoffes kommen. Hinsichtlich der kardialen Sicherheit ist bei Johanniskrautextrakt (Laif®900) keine QT-Intervall-Verlängerung bekannt. Zusätzliche EKG-Kontrollen sind daher bei den Patienten nicht zwingend notwendig.5

    Hochdosierter Johanniskraut-Extrakt kann demnach eine Option sein für Patienten,

    • bei denen eine QT-Zeit-Verlängerung oder spezifische Wechselwirkungen mit kardiovaskulären Medikamenten gegen andere antidepressive Wirkstoffe sprechen,
    • bei denen mögliche Nebenwirkungen, wie Gewichtszunahme, sexuelle Dysfunktion oder Sedierung (klinisch) relevant sein können,
    • oder die einem pflanzlichen Wirkstoff offener gegenüberstehen als einem weiteren chemisch-synthetischen Medikament.

    Quellen:

    1. DGPPN, BÄK, KBV, AWMF (Hrsg.) für die Leitliniengruppe Unipolare Depression. S3-Leitlinie/Nationale VersorgungsLeitlinie Unipolare Depression – Langfassung, 2. Auflage. Version 5. 2015 [zuletzt aufgerufen am 02.04.2019]. DOI: 10.6101/AZQ/000364.
      www.depression.versorgungsleitlinien.de.

    2. Voderholzer U, Hohagen F. Therapie psychischer Erkrankungen. State of the art. 16. Auflage, Elsevier 2021.

    3. Konrad T et al. Verlängerung der QT-Zeit durch Arzneimittel. Was gibt es zu beachten? Arzneimitteltherapie 2015;33:91-5.

    4. Fachinformation Citalopram AL 10 mg/ - 20 mg/- 40 mg Filmtabletten. Stand Juli 2019.

    5. Hartmut R et al. Antidepressiva, Pharmakologische und klinische Aspekte, Dortmund: PsychoGen Verlag 2015.

    Bildquelle: https://www.gettyimages.de/detail/foto/hand-holding-white-heart-on-yellow-background-top-lizenzfreies-bild/1221788289?adppopup=true