Mit Vitamin D gegen Depressionen?

Zahlreiche Erkrankungen werden mit einem Vitamin-D-Mangel assoziiert – darunter Depressionen. Aber heißt das auch, dass eine Therapieergänzung mit Vitamin D bei Depressionen sinnvoll ist? 3 Fragen & Antworten für die Praxis.
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Schützt eine Vitamin-D-Supplementation vor Depressionen?

Verschiedene Beobachtungsstudien deuten auf einen Zusammenhang zwischen Vitamin-D-Mangel und Depressionen hin. So kam beispielsweise eine Meta-Analyse zu dem Ergebnis, dass der Serum- 25(OH)D-Spiegel negativ mit dem Risiko für Depressionen assoziiert ist.1 Auch auf biologischer Ebene gibt es plausible Erklärungen. So ist z. B. bekannt, dass Vitamin-D-Rezeptoren auch in Nervenzellen in den Gehirnarealen vorhanden sind, die bei affektiven Erkrankungen betroffen sind. Zudem ist Vitamin D u. a. an der Regulierung der Dopaminproduktion und der Genexpression von Serotonin beteiligt.2
Vor diesem Hintergrund untersuchte eine prospektive, Placebo-kontrollierte Studie mit 18.353 Erwachsenen über 50 Jahre, welchen Effekt die orale Langzeitsupplementation mit Vitamin D (2.000 IU/d über durchschnittlich 5,3 Jahre) auf das Auftreten depressiver Symptome in diesem Patientenkollektiv (Altersdepression) hat.3

Studiendesign3

  • Bei der Studie handelt es sich um eine Fortführung der VITAL-Studie, einer randomisierten kontrollierten Studie, die kardiovaskuläre Erkrankungen und Krebsprävention bei 25.871 Erwachsenen untersuchte
  • Das Depressionsrisiko wurde in einem 2x2 faktoriellen Design mit randomisierter Zuordnung zu 2.000 IU/d Cholecalciferol und Fischöl oder Placebo untersucht
  • ausgeschlossen wurden Patienten mit klinisch relevanten depressiven Symptomen, Anhedonie oder Dysphorie über 2 oder mehr Wochen innerhalb der letzten 2 Jahre und Personen, die eine antidepressive Behandlung erhielten
  • primäre Endpunkte: Risiko für Depressionen oder klinisch relevante depressive Symptome und eine klinisch relevante Verschlechterung im PHQ-8 (Patient Health Questionnaire Depression Scale; Gesundheitsfragebogen für Patienten mit 8 Items)

Die Ergebnisse der Studie auf einen Blick:3

  • Durchschnittlich lag der Vitamin D-Spiegel zu Beginn der Studie bei 31,1 ng/ml (= gemäß RKI eine suboptimale Versorgung bezogen auf die Knochengesundheit und damit eine nicht ausreichende Versorgung4).
  • Das Risiko für Depressionen oder depressive Symptome unterschied sich nicht signifikant zwischen der Vitamin-D-Gruppe (609 Ereignisse, 12,9/1.000 Personenjahre) und der Placebo-Gruppe (625 Ereignisse, 13,3/1.000 Personenjahren); Hazard Ratio 0,97 (p=0,62).
  • Auch der PHQ-8-Score unterschied sich über die Dauer der Studie zwischen den Gruppen nicht.

Die Ergebnisse widerlegen damit die Annahme, dass eine Ergänzung von oralem Vitamin D in einer Dosierung von 2.000 IU/d zur Prävention von Depressionen sinnvoll ist. Dies ist laut der Autoren vergleichbar mit anderen kleineren randomisierten kontrollierten Studien, die ebenfalls keinen Einfluss auf das Auftreten von Depressionen feststellten und damit keine Kausalität herstellen konnten.3

Was bringt eine Vitamin-D-Supplementation bei bereits bestehender Depression?

Eine Meta-Analyse von 4 Studien mit insgesamt 948 Teilnehmern deutet darauf hin, dass eine Supplementation (oral oder parenteral) moderat positive Effekte haben kann (gepoolte Effektstärke: 0,58, 95 % Konfidenzinterfall 0,45–0,72). Dabei gab es keine Unterschiede hinsichtlich der Darreichungsform. In einer der analysierten Studien wurde Vitamin D als ergänzende Behandlung zu Fluoxetin (1.500 IU Vitamin D3/Tag, 20 mg/d Fluoxetin) eingesetzt. Die Effektstärke dieser Studie war relativ hoch (standardisierte Mittelwertdifferenz: 1,03).5

Die Autoren weisen jedoch darauf hin, dass die Ergebnisse aufgrund der kleinen Studienanzahl und einem methodologischen Bias mit Vorsicht zu betrachten seien.5 Zu beachten ist auch, dass die Resultate verschiedener Studien nicht konsistent sind und es auch Meta-Analysen gibt, die diese Daten nicht stützen.6

Ist die Datenlage bei saisonaler Depression eindeutiger?

Bei der Winterdepression, auch als SAD (seasonal affective disorder) bezeichnet, spielt Lichtmangel eine entscheidende Rolle in der Pathogenese. Fehlendes Sonnenlicht kann den zirkadianen Rhythmus sowie den Hormon- und Neurotransmitterhaushalt beeinflussen. Da nördlich des 40. Breitengrades, z. B. in Deutschland, im Winter die endogene Vitamin-D-Synthese ausbleibt, wird auch ein Vitamin-D-Mangel als plausible Ursache für SAD in Erwägung gezogen.7

Eine Nutzenbewertung aus 2020, herausgegeben vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), kommt zu dem eindeutigen Ergebnis, dass es keine Anhaltspunkte gibt, die eine Vitamin D-Supplementation als wirksame und sichere Behandlung bei SAD identifizieren.7 Die S3-Leitlinie „Unipolare Depression“ empfiehlt die Lichttherapie bei SAD-Betroffenen (10.000 Lux, 30-45 Minuten/Tag idealerweise am Morgen). Für Vitamin D enthält die Leitlinie keine Empfehlungen.8

Vor Supplementation immer den Vitamin-D-Spiegel bestimmen

Als fettlösliches Vitamin kann Vitamin D im Fett- und Muskelgewebe gespeichert werden. Bei übermäßig hohen Einnahmen durch Nahrungsergänzungsmittel kann es zu einer akut oder schleichend auftretenden Intoxikation kommen, die sich als Hyperkalzämie äußert. Aus diesem Grund wird empfohlen, eine Supplementation nicht ohne vorherige Bestimmung des Serum-25(OH)D-Spiegels zu initiieren. Das RKI stuft einen Wert <30 nmol/l (<12 ng/ml) als mangelhafte Versorgung ein, 30-<50 nmol/l (12-<29 ng/ml) als suboptimal.4 Die tägliche Einnahme von 600 bis 800 IE führt i.d.R. zu Spiegeln über 50 nmol/l (20 ng/ml). Dosierungen bis täglich 4.000 IE gelten als sicher, d.h. man geht nicht davon aus, dass toxische Effekte auftreten. Alternativ zur täglichen Einnahme kann auch eine wöchentliche Gabe von 10.000 bis 20.000 IE (postprandial) empfohlen werden.9

Quellen:

  1. Li H et al. Serum 25-Hydroxyvitamin D Levels and Depression in Older Adults: A Dose-Response Meta-Analysis of Prospective Cohort Studies. Am J Geriatr Psychiatry 2019;27(11):1192-1202.

  2. Vince B. Vitamin D – Kritische Betrachtung der aktuellen medizinischen Evidenz für die therapeutische Anwendung in der Psychiatrie. Diplomarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Doktorin der gesamten Heilkunde, Medizinische Universität Graz 2019.

  3. Okereke OI et al. Effect of Long-term Vitamin D3 Supplementation vs Placebo on Risk of Depression or Clinically Relevant Depressive Symptoms and on Change in Mood Scores. A Randomized Clinical Trial. JAMA 2020;324(5):471-480.

  4. RKI. Antworten des Robert Koch-Instituts auf häufig gestellte Fragen zu Vitamin D. Stand: 25.1.2919. Unter: https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Vitamin_D/Vitamin_D_FAQ-Liste.html (abgerufen am 13.09.2021).

  5. Vellekkatt F, Menon V. Efficacy of vitamin D supplementation in major depression: A meta-analysis of randomized controlled trials- J Postgrad Med 2019;65(2):74-80.

  6. Tomé AL et al. Efficacy of vitamin D in the treatment of depression: a systematic review and meta-analysis. Actas Esp Psiquiatr 2021;49(1):12-23.

  7. Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen. HTA-Bericht: Herbst-Winter-Depression. Führen nicht medikamentöse Verfahren wir Licht- und Vitamintherapie zu besseren Ergebnissen? Unter: https://www.iqwig.de/download/ht18-04_herbst-winter-depression_licht-und-vitamintherapie_hta-bericht.pdf (abgerufen am 13.09.2021).

  8. S3-Leitlinie und Nationale VersorgungsLeitlinie Unipolare Depression, Langfassung, 2. Auflage, November 2015, Version 5; www.leitlinien.de/nvl/depression

  9. Steinhilber D. Vitamin D. Kritische Betrachtung. Unter: https://www.pharmazeutische-zeitung.de/kritische-betrachtung-116884/ (abgerufen am 04.10.2021).

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