Johanniskraut bei Depressionen – weshalb es auf die Zulassung ankommt

„Gibt es da auch etwas Pflanzliches?“ Bei leichten und mittelschweren Depressionen fragen Erkrankte oft nach Alternativen zu chemischen Psychopharmaka. Zugelassen ist für diese Indikation nur Johanniskrautextrakt. Doch was macht den Unterschied zwischen Verschreibungspflichtigen-, Apotheken- und Drogeriepräparaten aus?

Johanniskraut wirkt gegen Depressionen – aber nicht jedes Kraut!

„Ja, das habe ich schon probiert. Hilft mir aber nicht.“ Solche oder ähnliche Aussagen hören Sie vielleicht, wenn es um den Einsatz von Johanniskraut geht. 

Johanniskraut – also doch keine Heilpflanze? Weit gefehlt, denn in diesem Kontext gilt es, verschreibungspflichtige Arzneimittel (Rx) von apothekenpflichtigen (OTC) und freiverkäuflichen Produkten (Drogeriemarkt) zu unterscheiden.

Rx vs. OTC: Entscheidende Unterschiede 

Wird bei leichten oder mittelschweren Depressionen eine medikamentöse Behandlung erwogen, kann gemäß der Nationalen VersorgungsLeitlinie Unipolare Depression ein 1. Therapieversuch auch mit Johanniskraut angeboten werden. Für die Behandlung mittelschwerer Depressionen (ICD-10 F32.1 und F 33.1) wurde im Leitlinien-Update 2022 ein entscheidender Zusatz gegenüber der Vorgängerversion ergänzt:1

Nur Johanniskraut-Präparate, die als Arzneimittel in dieser Indikation zugelassen sind, sollen Patientinnen und Patienten mit mittelschweren depressiven Episoden empfohlen werden.1

Die Zulassung garantiert, dass Wirksamkeitsnachweise durch klinische Studien vorliegen. In Deutschland sind aktuell 3 solcher Präparate erhältlich. Diese sind aufgrund der zugelassenen Indikation verschreibungspflichtig. Apothekenpflichtige Präparate (OTC) sind nur zur Behandlung leichter depressiver Episoden (Störungen) zugelassen und sind somit nicht in die Empfehlung für mittelgradige Depressionen eingeschlossen.
 

Johanniskrautpräparate: Apotheke vs. Drogerie

Drogeriepräparate unterscheiden sich von apotheken- oder verschreibungspflichtigen Arzneimitteln vor allem im Wirkstoffgehalt sowie der Qualität und Wirksamkeit. So liegt der Wirkstoffgehalt bei Drogerieprodukten - sofern er überhaupt angegeben ist - unter der empfohlenen Tagesdosierung. Denn: Präparate aus dem Drogeriemarkt enthalten häufig nur einfaches Johanniskrautpulver und keinen konzentrierten Pflanzenextrakt.

Dass Drogerieprodukte mit Vorsicht zu genießen sind, wurde schon im Jahr 2018 nach einer Untersuchung von ÖKO-TEST bekannt.2 20 Johanniskrautprodukte aus der Apotheke und Drogerie wurden kritisch unter die Lupe genommen. Es zeigte sich, dass fast alle Produkte aus der Apotheke empfehlenswert sind. Ganz anders sieht es bei den freiverkäuflichen Produkten aus der Drogerie aus: Diese schnitten ausnahmslos „mangelhaft“ ab.2 Schwachstellen bei den Drogeriepräparaten zeigten sich vor allem beim Wirkstoffgehalt und der belegten Wirksamkeit, wie jetzt auch in der Leitlinie erläutert wird.1,2

  • Menge und Qualität müssen stimmen
    Der Wirkstoffgehalt bei den Präparaten aus der Drogerie liegt - sofern er überhaupt angegeben ist - unter der empfohlenen Tagesdosierung von 600–900 mg.2 Zudem enthalten Präparate aus dem Drogeriemarkt häufig einfaches Johanniskrautpulver und keinen konzentrierten Pflanzenextrakt. Johanniskrautpulver enthält aber nur eine sehr geringe Menge an wirksamkeitsbestimmenden Inhaltsstoffen und ist deshalb für die Behandlung einer Depression nicht geeignet. 
    Damit die Therapie mit Johanniskraut ihre volle Wirkung entfalten kann, müssen Wirkstoffmenge und -qualität stimmen. Entscheidend ist daher die Menge an Johanniskraut-Trockenextrakt, die in jeder Tablette enthalten ist.
     
  • Belegte Wirksamkeit
    Nicht jedes pflanzliche Präparat ist tatsächlich auch als Arzneimittel zugelassen und es liegen meist keine klinischen Studien zugrunde. Die Wirksamkeit ist somit nicht belegt.2 Im Gegensatz dazu sind die in der Apotheke erhältlichen, zugelassenen Arzneimittel behördlich auf Wirksamkeit, Sicherheit und Qualität geprüft. 

Johanniskraut: Same, same – but different!

Bei ausreichender Wirkstoffmenge und -qualität kann Johanniskraut-Extrakt in seiner Wirksamkeit mit chemischen Antidepressiva wie Citalopram mithalten – und das bei günstigerem Nebenwirkungsprofil.3

Quellen:

  1. Nationale VersorgungsLeitlinie Unipolare Depression, Langfassung, Version 3.0, 2022, AWMF-Register-Nr. nvl-005. https://www.leitlinien.de/themen/depression/version-3
  2. 20 Johanniskrautpräparate im Test. ÖKO-TEST Februar 2018. Autor: Kai Thomas. Kategorie: Gesundheit und Medikamente.
  3. Zhao et al. The efficacy and safety of St. John's wort extract in depression therapy compared to SSRIs in adults: A meta-analysis of randomized clinical trials. Adv Clin Exp Med 2023;32(2):151-161. doi: 10.17219/acem/152942.2023
     

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