Depression diagnostizieren & behandeln 

3 Vorurteile und wie Sie diese aus der Welt schaffen

Depressionen und deren Behandlung sind nach wie vor stigmatisiert und mit Vorurteilen behaftet. Diese können einer erfolgreichen Therapie im Weg stehen. Was wirklich dran ist und mit welchen Argumenten Sie zweifelnden Betroffenen begegnen können.

„Eine Depression hat nur, wer traurig und niedergeschlagen ist“

Die Hauptsymptome einer Depression sind eine depressive, gedrückte Stimmung, Interessensverlust und Freudlosigkeit sowie eine Verminderung des Antriebs mit erhöhter Ermüdbarkeit und Aktivitätseinschränkung. Für die Diagnose einer behandlungsbedürftigen depressiven Episode müssen mindestens 2 dieser Symptome (gemäß ICD-10) gegeben sein. Betroffene klagen aber häufig auch über somatische Beschwerden, u.a.:1

  • Schlafstörungen wie frühmorgendliches Erwachen 2 oder mehr Stunden vor der gewohnten Zeit
  • Morgentief
  • deutliche psychomotorische Hemmung
  • Agitiertheit
  • verminderter Appetit/Gewichtsverlust
  • Libidoverlust

Eine Depression kann aber noch viele weitere Gesichter haben und sich bei bestimmten Patientengruppen ganz unterschiedlich äußern. Typisch „männliche Symptome“ sind beispielsweise Aggressivität, riskantes Verhalten und Substanzmissbrauch.2 Ältere Patientinnen und Patienten empfinden körperliche Symptome zunehmend unerträglich und leiden häufig unter Konzentrationsstörungen, die sie eher auf eine Demenz zurückführen.3

„Antidepressiva machen dick und abhängig“

Während eine medikamentöse Behandlung bei körperlichen Beschwerden gut akzeptiert wird, ist die Haltung vieler Patientinnen und Patienten gegenüber der Einnahme von Psychopharmaka deutlich kritischer.

Im „Deutschland-Barometer Depression 2019“, einer Umfrage der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention, hielten nur 58 % der befragen 30–69-Jährigen Medikamente für ein geeignetes Mittel bei Depressionen.5 Die Europäische Allianz gegen Depressionen weist darauf hin, dass eine betroffene Person seine oder ihre Medikamente regelmäßig und über einen längeren Zeitraum nur dann einnehmen wird, wenn sie/er hinter der Behandlung steht und sich damit sicher fühlt. Zur Aufklärung gehört daher auch die Besprechung folgender Annahmen:6

  • Antidepressiva machen nicht abhängig.
  • Antidepressiva verändern nicht die Persönlichkeit.
  • Antidepressiva sind weder Aufputsch- noch Beruhigungsmittel und machen nicht „high“. 

Doch wie alle Arzneimittel haben auch Antidepressiva – ob synthetischen oder pflanzlichen Ursprungs – Nebenwirkungen, die thematisiert werden müssen. So sollte die oder der Betroffene beispielsweise über einen gesteigerten Appetit und Übergewicht durch Blockade von Serotonin-Rezeptoren wie beispielsweise unter der Therapie mit Mirtazapin unbedingt aufgeklärt werden. Auch eine mögliche Einschränkung der Fahrtauglichkeit sollte beachtet werden. Beispielsweise wird empfohlen, während der ersten 10–14 Behandlungstage mit tri- und tetrazyklischen Antidepressiva das Führen von Fahrzeugen zu unterlassen.7

„Durch Antidepressiva werde ich impotent“

Eine für viele Betroffene belastende Nebenwirkung ist die sexuelle Dysfunktion, die durch die Behandlung mit SSRI ausgelöst werden kann. Nach Healy et al. (2020) erleben nahezu alle damit behandelten Patientinnen und Patienten eine verringerte genitale Sensibilität.8 Die Probleme können dabei auf den Zeitraum der Behandlung begrenzt sein, aber auch erst danach auftreten oder darüber hinaus bestehen bleiben.8

Praxistipp: Da Betroffene eine sexuelle Funktionsstörung oft nicht von sich aus ansprechen, ist es an Ihnen, Sexualität zum Thema zu machen – am besten schon, bevor eine Behandlungsentscheidung getroffen wird.

Quellen:

  1. Nationale VersorgungsLeitlinie Unipolare Depression, Langfassung, Version 3.0, 2022, AWMF-Register-Nr. nvl-005. https://www.leitlinien.de/themen/depression/version-3
  2. Martin LA, et al. The experience of symptoms of depression in men vs women: analysis of symptoms of depression in men vs women: analysis of the National Comorbidity Survey Replication. JAMA Psychiatry 2013;70(10):1110-6.
  3. Deutsche Depressionshilfe. Depression in verschiedenen Facetten. Unter: https://www.deutsche-depressionshilfe.de/depression-infos-und-hilfe/depression-in-verschiedenen-facetten (abgerufen am 07.06.2023).
  4. Psychiater räume mit Vorurteilen gegenüber Psychopharmaka auf. Aerzteblatt.de. Unter https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/64079/Psychiater-raeumen-mit-Vorurteilen-gegenueber-Psychopharmaka-auf (abgerufen am 02.12.2019).
  5. Deutschland-Barometer Depression 2019. Befragung „Volkskrankheit Depression – So denkt Deutschland“. Unter: https://www.deutsche-depressionshilfe.de/presse-und-pr/downloads (abgerufen am 07.06.2023).
  6. European Alliance Against Depression. Vorurteile gegenüber Antidepressiva. Unter: https://ifightdepression.com/de/fuer-aerzte-apotheker/fuer-apotheker/vorurteile-gegenueber-antidepressiva (abgerufen am 07.06.2023).
  7. Schmauß M. Therapietabellen Depression 2019.
  8. Healy D. Post-SSRI sexual dysfunction & other enduring sexual dysfunctions. Epidemiology and Psychiatric Sciences. 2020;29:1-2.
  9. Ebert A. Sexualität und Intimität bei depressiven Erkrankungen. Nervenheilkunde. 2021;40:987-988.

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