5 Möglichkeiten, wenn der Therapieplatz auf sich warten lässt
Die Wartezeit auf einen Psychotherapieplatz für Patientinnen und Patienten mit akuten Depressionen beträgt durchschnittlich 14,5 Wochen.1 Dies ist für Betroffene meist sehr belastend. Fünf Möglichkeiten, wie Sie Erkrankte dennoch helfen können, wenn ein Therapieplatz fehlt.
Depressionen auf Rekordhoch - Fachgesellschaft rät zur Psychotherapie
Laut dem kürzlich veröffentlichten DAK-Psychreport verursachen Depressionen unter den psychischen Krankheiten weiterhin die meisten Fehltage im Job.2 Die Arbeitsausfälle aufgrund von Depressionen (F32/F33) stiegen im Jahr 2023 vs. 2022 erneut um 3,1 % an.2
Die nationale VersorgungsLeitlinie zur Unipolare Depression rät bei leichtgradigen depressiven Episoden bevorzugt zur Psychotherapie. Bei mittelgradigen Depressionen kann gleichwertig eine Psychotherapie oder ein Antidepressivum angeboten werden.3
Doch die Wartezeit auf einen Therapieplatz ist lang. Schnelle Hilfe suchen Betroffene häufig vergebens: Bis zu einem Erstgespräch vergehen im Akutfall durchschnittlich 14,5 Wochen - und bis zum Behandlungsbeginn sogar 22 Wochen.1 Doch was tun, wenn dringend ein Psychotherapieplatz benötigt wird?1 Welche Möglichkeiten gibt es, um den Zeitraum bis zum Erstgespräch möglichst sinnvoll zu überbrücken?
Kein Therapieplatz? 5 Alternativen bis zum Erstgespräch
1. DiGA nutzen
Die Leitlinie „Unipolare Depression“ rät bei leichten Depressionen zu Internet- und mobilbasierten Interventionen wie Psychoedukation und Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA). DiGA sind verordnungsfähig und geben Betroffenen erste hilfreiche Impulse zum Selbstmanagement.5 Alle DiGA, die aktuell zur Rezeptierung bereitstehen, finden Sie im DiGA-Verzeichnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM).4
Wie DiGAs verordnen?
- DiGA können über das Muster 16 verordnet werden. Auf dem Rezept müssen die Daten der/ des Versicherten, der Krankenkasse, die Pharmazentralnummer (PZN) und die Bezeichnung der digitalen Anwendung angegeben werden.5
- Verordnungsfähig sind vom BfArM zugelassenen DiGAs. Die Verordnung erfolgt extrabudgetär und wird vergütet.5
- Nach Einreichen des Rezeptes bei der Krankenkasse erhalten Ihre Patientinnen bzw. Ihre Patienten einen Zugang für die digitale Anwendung. Alternativ können Versicherte nach Diagnosestellung direkt bei der Krankenkasse einen Antrag stellen.5
Sind DiGA sicher und wirksam?
Alle vom BfArM zugelassenen bzw. gelisteten DiGA sind u. a. auf Patientensicherheit, Datenschutz und Benutzerfreundlichkeit geprüft.
Für die dauerhaft in das Verzeichnis aufgenommenen DiGA wurde zudem ein positiver Versorgungseffekt nachgewiesen. Temporär aufgenommene DiGA stehen vorläufig für maximal 24 Monate im BfArM Verzeichnis. Kann der Hersteller innerhalb dieser Zeitspanne keinen positiven Versorgungseffekt belegen, so kann die DiGA nicht mehr verordnet werden und wird vom BfArM aus dem Verzeichnis entfernt.5
Laut dem DIGA-Report 2024 lösten zwischen den Jahren 2020 und 2023 allein bei der Techniker Krankenkasse über 100.000 Patientinnen und Patienten ihre Freischaltecodes ein. Insgesamt 32.384-mal und somit am häufigsten verschrieben wurden dabei Apps für das Anwendungsgebiet „Mentale Gesundheit“. Aus dem Report geht zudem hervor, dass nicht nur Jüngere DIGA nutzen. Entsprechend lag das Durchschnittsalter der Anwenderinnen und Anwender von DIGA bei 45 Jahren.6
2. Sport, Bewegung oder Licht: alternative Behandlungsoptionen
Lässt der Psychotherapieplatz auf sich warten, stehen weitere Optionen für Erkrankte mit Depressionen zur Verfügung, wie z. B.:3
- Bewegungs- oder Sporttherapie
- Ergotherapie oder Soziotherapie
- Wachtherapie bzw. eine Schlafentzugstherapie
- ernährungsbasierte Interventionen (Nahrungsergänzung nur bei nachgewiesenem Mangel)
- Lichttherapie bei Depressionen mit saisonalem Muster
Die Leitlinie listet diese Option als additive, unterstützende Angebote.3 Ob sie sich – ebenso wie auch eine DiGA – zur Überbrückung der Wartezeit auf einen Therapieplatz eignen, hängt v. a. davon ab, wie eigenverantwortlich die Erkrankten in der akuten Phase der Depression agieren können. Die Leitlinie rät zur partizipierten Therapieentscheidung.3
3. Phytopharmakon initial einsetzen
Laut der Leitlinie „Unipolare Depression“ kann Patientinnen und Patienten mit rezidivierenden leichtgradigen akuten Episoden und mittelgradigen Depressionen eine Pharmakotherapie angeboten werden.3
Eine Pharmakotherapie kann demnach eine Möglichkeit sein, die Wartedauer auf einen Therapieplatz zu überbrücken. Doch viele Erkrankte stehen der Behandlung mit synthetischen Antidepressiva skeptisch gegenüber. Wünschen sich Patientinnen und Patienten mit Depressionen dennoch initial medikamentöse Hilfe, können pflanzliche Produkte eine Behandlungsmöglichkeit mit geringer Hemmschwelle sein, bis ein Therapieplatz frei wird.3 Laut einer Online-Befragung unter Ärzten und Betroffenen akzeptieren Erkrankte Johanniskraut als „natürliches Produkt” eher als ein synthetisches Antidepressivum.7
Basierend auf der umfassenden Datenlage gibt die Leitlinie „Unipolare Depression“ bei leichten oder mittelschweren depressiven Episoden eine Empfehlung für einen ersten Therapieversuch mit Johanniskraut-Extrakt. Johanniskraut ist das einzige Phytopharmakon, das zur Therapie bei leichten und mittelschweren Depressionen als Arzneimittel zugelassen ist.3,8,9
Wichtig: Bei mittelschweren Depressionen sollen laut Leitlinie nur Johanniskraut-Präparate (z. B. Laif®900) zum Einsatz kommen, die als Arzneimittel für diesen Indikationsbereich zugelassen sind. Diese sind verschreibungspflichtig und GKV-erstattungsfähig.3,8,9
Wie steht es um die Wirksamkeit von Johanniskraut?
Laut einer randomisierten, doppelblinden, placebo- und verumkontrollierten Multicenterstudie ist hochdosierter Johanniskraut-Extrakt (STW3VI – Laif®900) mit der Effektivität einer Behandlung mit synthetischen Antidepressiva vergleichbar und zeigte dabei eine bessere Verträglichkeit und Compliance als der SSRI Citalopram.8
4. Unterstützung durch die Deutsche Depressionshilfe
Ist ein Therapieplatz nötig, aber nicht vorhanden, so finden Betroffene auch bei der Deutschen Depressionshilfe Unterstützung. Zudem rät die Deutsche Depressionshilfe u. a. zu vorübergehenden Alternativen:10
- Selbstmanagement-Programme, z. B. iFightDepression Tool bei leichten Depressionen
- Beratung durch den Sozialpädiatrischen Dienst (Kontakt über örtliches Gesundheitsamt)
- Bundesweites Info-Telefon Depression (erreichbar unter 0800 / 3344533)
5. Hilfe über andere Wege suchen, wie z.B. Selbsthilfegruppen
Auch das Aufsuchen von wohnortnahen Selbsthilfegruppen, Genesungsbegleitern oder anderer Selbsthilfeangebote sowie Online-Foren für Depressionskranke können weitere hilfreiche Möglichkeiten sein, um Support zu finden.
Um einen Therapieplatz zeitnah zu bekommen, können Patientinnen und Patienten oder auch Angehörige aktiv werden. Dabei kann diese Übersicht von möglichen Anlaufstellen helfen:
Wichtig: Grundsätzlich gilt, dass bei all diesen Optionen immer eine ärztliche Begleitung erfolgen muss. Erkrankte sollten auch, wenn sie digitale Anwendungen oder ein anderes Selbtmanagement durchführen, nie sich selbst überlassen werden.
Quellen:
- Psychotherapie: Längere Wartezeiten auf Therapieplatz seit Strukturreform. Deutsches Ärzteblatt, 17.10.2023 (abgrufen am 30.04.2024)
- DAK-Psychoreport 2024. https://www.dak.de/dak/unternehmen/reporte-forschung/psychreport-2024_57364 (abgerufen am 23.04.2024).
- Nationale Versorgungs-Leitlinie Unipolare Depression, Langfassung, Version 3.0, 2022, AWMF-Register-Nr. nvl-005. https://www.leitlinien.de/themen/depression/version-3
- DiGA Verzeichnis. Bundesinstitit für Arzneimittel und Medizinprodukte. https://diga.bfarm.de/de (abgerufen am 23.04.2024).
- Apps auf Rezept. Digitale Gesundheitsanwendungen: Hinweise zur Verordnung, Abrechnung und Vergütung APPS AUF REZEPT, Kassenärztliche Bundesvereinigung https://www.kbv.de/media/sp/PraxisInfo_Digitale_Gesundheitsanwendungen.pdf
- DiGA-Report II 2024. Homepage der Techniker Krankenkasse. Stand 25.04.2024. https://www.tk.de/presse/themen/digitale-gesundheit/digitaler-fortschritt/diga-report-2-2024-2125138?tkcm=aaus
- DeBeNa-Monitor: Depressionsbehandlung in Deutschland 2018; repräsentative Befragung bei Patienten, Allgemeinmedizinern, Neurologen und Psychiatern, mc markt-consult, Hamburg.
- Gastpar M et al. Hypericumextrakt STW3-VI im Vergleich zu Citalopram und Placebo bei Patienten mit mittelschwerer Depression. Psychopharmakotherapie 2007; 14: 65-69.
- Fachinformation Laif®900, Stand September 2020.
- Wo finde ich Hilfe? Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention. https://www.deutsche-depressionshilfe.de/depression-infos-und-hilfe/wo-finde-ich-hilfe/erste-anlaufstellen#:~:text=Grunds%C3%A4tzlich%20ist%20Ihr%20Hausarzt%2FIhre,f%C3%BCr%20Psychiatrie%20oder%20Nervenheilkunde)%20bzw. (abgerufen am 23.04.2024).
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