Johanniskraut gehört zu den am besten untersuchten pflanzlichen Arzneimitteln. Neben seiner antidepressiven Wirkung besitzt es auch antiinflammatorischen Eigenschaften.1 Johanniskraut-Extrakt kann gemäß der nationalen VersorgungsLeitlinie unipolare Depression eine Therapieoption bei leichten bis mittelschweren Depressionen sein – v. a., wenn Betroffene ein synthetisches Antidepressivum ablehnen.2
1. Ist Johanniskraut bei Depressionen eine Therapieoption?
Die nationale VersorgungsLeitlinie zur Unipolaren Depression empfiehlt hochdosierten Johanniskrautextrakt neben synthetischen Antidepressiva bei leichten oder mittelgradigen depressiven Episoden als Behandlungsoption für die Initialtherapie. Zum Einsatz bei mittelschweren Depressionen (ICD-10 F32.1 und F33.1) sollen laut Leitlinie aber nur Johanniskrautpräparate kommen, die als Arzneimittel für diesen Indikationsbereich zugelassen sind.2
Die Empfehlung basiert neben Metaanalysen auch auf den Ergebnissen der randomisierten, doppelblinden, placebo- und verumkontrollierten Studie von Gastpar et al. (2007). Diese zeigte eine vergleichbare Wirksamkeit von hochdosiertem Johanniskraut-Extrakt (STW3-VI; Laif®900) bei mittelschweren Depressionen (F32.1, F 33.1) vs. der SSRI-Leitsubstanz Citalopram (20 mg, 1x täglich), bei günstigerem Nebenwirkungsprofil.3 Darüber hinaus untermauert eine aktuelle Metaanalyse von Zhao et al. (2023) die Empfehlung für eine Initialtherapie mit Johanniskraut-Extrakt bei leichten bis mittelschweren Depressionen.
2. Wie verträglich ist hochdosierter Johanniskraut-Extrakt?
Johanniskraut-Extrakt zeigte bei leichten bis mittelschweren Depressionen eine signifikant bessere Verträglichkeit bei vergleichbarer Wirksamkeit gegenüber Citalopram.3 So traten z. B. SSRI-typische Nebenwirkungen wie Gewichtszunahme oder sexuelle Dysfunktion unter Johanniskraut nicht auf.3,4
Ein pflanzliches Antidepressivum kann den Einstieg in die Pharmakotherapie erleichtern, da es von vielen Betroffenen eher akzeptiert wird als ein chemisches Psychopharmakon. Denn: Patienten fürchten die Nebenwirkungen chemischer Antidepressiva. Insbesondere die Gewichtszunahme wie z. B. unter Mirtazapin kann mitunter für die Betroffenen so belastend sein, dass sie ggf. die Therapie eigenmächtig abbrechen und damit den Behandlungserfolg gefährden.
Wichtig: Johanniskraut induziert die Aktivität von CYP3A4, CYP2C9, CYP2C19 und p-Glykoprotein und darf somit nicht gleichzeitig mit folgenden Arzneimitteln angewendet werden:
- Immunsuppressiva wie Ciclosporin, Tacrolimus zur innerlichen Anwendung, Sirolimus,
- antiretroviralen Medikamenten (z. B. Protease-Inhibitoren wie Indinavir, Fosamprenavir, Amprenavir oder Nevirapin) und
- Zytostatika wie Imatinib oder Irinotecan.4
3. Was ist bei der Auswahl der Präparate zu beachten?
Laut der nationalen VersorgungsLeitlinie sollten für die Behandlung mittelschwerer Depressionen nur Johanniskraut-Präparate empfohlen werden, die als Arzneimittel in dieser Indikation zugelassen sind.2 Die Zulassung garantiert, dass Wirksamkeitsnachweise durch klinische Studien vorliegen.3,4
In Deutschland sind aktuell 3 solcher Präparate erhältlich. Diese sind aufgrund der zugelassenen Indikation verschreibungspflichtig und GKV-erstattungsfähig. Apothekenpflichtige Präparate (OTC) sind lediglich zur Behandlung leichter depressiver Episoden (Störungen) zugelassen und somit nicht in die Empfehlung für mittelgradige Depressionen eingeschlossen.
4. Ist beim Beenden der Therapie mit Johanniskraut-Extrakt mit Absetzsymptomen zu rechnen?
Nach dem Beenden einer Therapie mit Antidepressiva können Absetzsymptome auftreten, die auf physiologischen Anpassungen an die Pharmakotherapie beruhen. Das Risiko für Absetzsymptome variiert unter den einzelnen Wirkstoffgruppen.5-7
Für pflanzliche Antidepressiva (Johanniskraut-Extrakt) sind wie für das Antidepressivum Agomelatin keine Absetzsymptome bekannt.4,8 Mit einem erhöhten Risiko für Absetzsymptome ist hingegen bei SSRI und trizyklischen Antidepressiva zu rechnen.8 Auch Antidepressiva mit kurzer Halbwertszeit, wie z. B. die MAO-Hemmer Tranylcypromin und Moclobemid, haben ein hohes Risiko für die Entstehung von Absetzsymptomen stärkerer Ausprägung.8
Die nationale VersorgungsLeitlinie „Unipolare Depression“ empfiehlt, beim Absetzen von Antidepressiva schrittweise auszuschleichen. In einigen Fällen werden hierfür längere Zeiträume benötigt. Falls die Symptome schwer sind, kann die Wiederaufnahme der Therapie mit dem ursprünglichen Antidepressivum oder mit einem Antidepressivum mit längerer Halbwertszeit aus derselben Wirkstoffklasse in wirksamer Dosierung erwogen werden. Anschließend sollte ein noch langsameres Absetzen unter Überwachung erfolgen. Da unter der Anwendung von Laif®900 keine Absetzsymptome beobachtetet wurden, ist ein solches Ausschleichen von Johanniskraut-Extrakt vor Beendigung der Therapie nicht notwendig.2,4
Quellen:
- Dillenburger B et al. Aktueller Forschungsstand zum pflanzlichen Antidepressivum Johanniskrautextrakt. Nervenheilkunde 2020; 39 (9): 565-571.
- Nationale VersorgungsLeitlinie Unipolare Depression, Langfassung, Version 3.0, 2022, AWMF-Register-Nr. nvl-005. https://www.leitlinien.de/themen/depression/version-3, Zugriff am 02.07.2025
- Gastpar M et al. Hypericumextrakt STW3-VI im Vergleich zu Citalopram und Placebo bei Patienten mit mittelschwerer Depression. Psychopharmakotherapie 2007; 14: 65-69.
- Fachinformation Laif®900, Stand September 2020
- Henssler J, Schmidt Y, Schmidt U, Schwarzer G, Bschor T, Baethge C. Incidence of Antidepressant Discontinuation Symptoms - A Systematic Review and Meta-Analysis. Lancet Psychiatry 2024 Jun 05. doi: 10.1016/S2215-0366(24)00133-0
- Antidepressiva: Neue Daten zur Häufigkeit von Absetzsymptomen, Pressemeldung der Charité Berlin vom 06.06.2024, abgerufen am 24.04.25 unter https://www.charite.de/service/pressemitteilung/artikel/detail/antidepressiva_neue_daten_zur_haeufigkeit_von_absetzsymptomen
- Antidepressant Withdrawal and Rebound Phenomena - PMC , Dtsch Arztebl Int. 2019 May 17;116(20):355–361 (abgerufen am 17.04.2025)
- Antidepressant Withdrawal and Rebound Phenomena - PMC , Dtsch Arztebl Int. 2019 May 17;116(20):355–361 (abgerufen am 17.04.2025)
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