Depression und Schmerz gehen häufig Hand in Hand

Chronische Schmerzen gehen oft mit Depressionen einher. Eine aktuelle Metaanalyse aus dem Jahr 2025 zeigte, dass 40 % der Schmerzpatientinnen und -patienten unter Depressionen oder Angstzuständen leiden. Erfahren Sie hier, welche Implikationen sich daraus für die Praxis ableiten lassen.1

Bisher lagen zur Prävalenz von Depressionen bei Erwachsenen mit chronischen Schmerzen nur wenige Erhebungen vor. Eine kürzlich publizierte Metaanalyse von Aaron et al., 2025, gibt nun einen umfassenden Einblick.1

Metaanalyse: 40 % der Schmerzpatienten haben Depressionen

Aaron et al. untersuchten, wie häufig Depressionen und Angstzustände bei Erwachsenen mit chronischen Schmerzen (> 3 Monate) vorkommen. In der Auswertung nicht miteinbezogen waren Patientinnen und Patienten mit chronischen Kopfschmerzerkrankungen oder Migräne.1

Die Forscherinnen und Forscher führten hierzu eine Literaturrecherche zwischen Januar 2013 bis Oktober 2023 durch: In die Auswertung einbezogen wurden 376 Studien aus 50 Ländern mit 347.468 Personen mit chronischen Schmerzen (mittleres [SD] Alter 51,3 [9,5] Jahre; 70,0 % Frauen).1

Das Ergebnis: Etwa 40 % der Patientinnen und Patienten mit chronischen Schmerzen litten an klinisch signifikanten Depressionen oder Angstzuständen.1

Chronische Schmerzen: Prävalenz für Depressionen erhöht

Je nach zu Grunde liegender Schmerzerkrankung zeigte sich eine unterschiedliche Prävalenz für Depressionen (s. Tabelle 1):1

Chronische Schmerzerkrankung

Prävalenz für klinische Symptome einer Depression, % (95 %-Konfidenzintervall)

p-Wert

Fibromyalgie

54,0 (4,5-5,4)

< 0,001

Nicht-spezifische Schmerzen oder mixed pains

40,2 (36,9-43,6)

< 0,001

Chronische neuropathische Schmerzen

37,5 (28,7-47,1)

< 0,001

Rückenschmerzen

(im unteren Bereich des Rückens)

33,3 (27,4-39,9)

< 0,001

Rückenschmerzen

(in einer anderen Region)

33.3 (21,9-47,2)

< 0,001

Osteoarthritis

29,1 (20,3-39,7)

< 0,001

Tabelle 1: Prävalenz von Depressionen bei Erwachsenen mit chronischen Erkrankungen. Modifiziert nach Quelle 1.

Die gepoolte Prävalenz für schwere depressive Störungen (Major Depressive Disorder) betrug 36,7 % (95 %-KI: 29,0 %-45,1 %, I2 = 98.7 %). Für die Kontrollstichproben aus der Normalbevölkerung ergab sich hingegen eine Prävalenz von 10,1 % (95 % CI, 6,4 %-15,6 %).1

Depressionen & Schmerzen gehen Hand in Hand: Die Ergebnisse im Überblick

  • 39,3 % der Erwachsenen mit chronischen Schmerzen zeigten klinische Symptome einer Depression (95 % KI, 37,3 %-41,1 %; I2 = 98,9 %).1
  • 40,2 % erfüllten die Kriterien für ein klinische Angststörung (95 % KI, 38,0 %-42,4 %; I2 = 99,0 %).1

Jüngere Patientinnen und Patienten hatten laut der Auswertung die höchste Wahrscheinlichkeit für beide psychische Begleiterkrankungen.1

Mit Blick auf die Diagnosen ergab sich folgendes Bild:1

  • 36,7% (95% KI, 29,0%-45,1%) hatten eine schwere depressive Störung,
  • 16,7% (95% KI, 11,8%-23,2%) hatten eine generalisierte Angststörung.

Implikationen für die Praxis: Routinemäßiges Screening unverzichtbar

Die Metaanalyse zeigt, dass psychische Komorbiditäten wie Depressionen und Angst bei Erwachsenen mit chronischen Schmerzen weit verbreitet sind.1

Die Autorinnen und Autoren schlussfolgern, dass für Ärztinnen und Ärzte, die Menschen mit chronischen Schmerzen in der Primärversorgung behandeln, ein systematisches Screening auf Depressionen und Angstzustände von großer Bedeutung ist.1

2 Screening-Fragen für den Praxisalltag

Einen ersten Anhaltpunkt auf eine depressive Erkrankung können diese zwei einfachen Fragen geben:2

  • Fühlten Sie sich im letzten Monat häufig niedergeschlagen, traurig, bedrückt oder hoffnungslos?
  • Hatten Sie im letzten Monat deutlich weniger Lust und Freude an Dingen, die Sie sonst gerne tun?

Werden beide Fragen mit ja beantwortet sollte eine tiefergehende Diagnostik erfolgen.

Ziel soll es sein, Betroffene mit chronischen Schmerzen und Depressionen und/oder Angstzuständen frühzeitig einer spezialisierten Behandlung mit Hinblick auf die psychische Komorbidität zuzuführen.1

Fazit der Metaanalyse

  • Die Analyse zeigt, dass man bei chronischen Schmerzpatienten verschiedenster Genese im Praxisalltag auch an eine mögliche begleitende Depression denken sollte.1
  • Erste Therapieoptionen bei leichten bis mittelschweren Depressionen können laut der nationalen VersorgungsLeitlinie zur Unipolaren Depression u. a. eine psychologische Intervention, aber auch die Gabe von synthetischen oder pflanzlichen Antidepressiva, wie z. B. hochdosiertem Johanniskraut-Extrakt sein.2

Psychologische Interventionen & Antidepressiva als erste Option

Ist die Diagnose „Depression“ gestellt, sieht die nationale VersorgungsLeitlinie Unipolare Depression Folgendes vor:2

  • Bei einer akuten leicht depressiven Episode sollen Maßnahmen mit niedriger Intensität (angeleitete Selbsthilfe und gesprächsbasierte Interventionen unter Nutzung psychotherapeutischer Techniken) angeboten werden.
  • Patientinnen und Patienten mit akuten mittelgradigen depressiven Episoden soll gleichwertig eine Psychotherapie oder eine medikamentöse Therapie angeboten werden.
  • Bei akuten schweren depressiven Episoden wird bevorzugt eine Kombinationsbehandlung aus Antidepressivum und Psychotherapie empfohlen sowie eine Psychoedukation.

Synthetische oder pflanzliche Antidepressiva?

Wird bei leichten depressiven Episoden eine medikamentöse Therapie erwogen, können nach Aufklärung über spezifische Nebenwirkungen und Interaktionen entweder:2 

  • synthetische Antidepressiva, wie z. B. trizyklische Antidepressiva (TZA) oder selektive Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI), eingesetzt werden oder
  • auch ein 1. Therapieversuch mit einem als Arzneimittel zugelassenen Johanniskrautpräparat angeboten werden.2

Bei mittelschweren depressiven Episoden kann ebenfalls neben synthetischen Antidepressiva ein 1. Therapieversuch mit einem als Arzneimittel für diesen Indikationsbereich zugelassenen Johanniskrautpräparat angeboten werden.2

Quellen:

  1. Aaron VR et al. Prevalence of Depression and Anxiety Among Adults With Chronic Pain. A Systematic Review and Meta-Analysis. JAMA Network Open. 2025;8(3):e250268. doi:10.1001/jamanetworkopen.2025.0268; zuletzt abgerufen am 21.05.2025 unter https://jamanetwork.com/journals/jamanetworkopen/fullarticle/2831134
  2. Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Nationale VersorgungsLeitlinie Unipolare Depression – Langfassung, Version 3.0., 2022. DOI: 10.6101/AZQ/000493

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