Umbrella-Review: Wie wirksam ist Johanniskraut?

Johanniskraut gehört zu den am besten untersuchten pflanzlichen Arzneimitteln. Die Ergebnisse zur Wirksamkeit bei Depressionen wurden u. a. in einem Umbrella-Review sowie in weiteren Studien analysiert. Finden Sie hier einen Überblick zur Evidenzlage.

Ist bei leichten bis mittelgradigen depressiven Episoden (ICD-10 F32.0, F33.0, F32.1 und F 33.1) eine medikamentöse Behandlung indiziert, können synthetische Antidepressiva wie Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI), Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSNRI) oder Trizyklische Antidepressiva (TZA) eingesetzt werden.1 Deren Gabe kann mit zahlreichen unerwünschten Nebenwirkungen einhergehen.1 

Die Nationale VersorgungsLeitlinie empfiehlt für den1. Therapieversuch auch Johanniskraut-Extrakt als gleichwertige Behandlungsoption.1 Johanniskraut überzeugt nicht nur bezüglich Wirksamkeit und aufgrund seines günstigen Nebenwirkungsprofils, sondern es ist auch die einzige medikamentöse komplementäre Therapie in der Indikation Depression, für die sich eine Evidenz in einem Umbrella-Review zeigte.2-6 

Johanniskraut punktet unter den komplementären Ansätzen

Das Umbrella-Review (systematische Übersichtsarbeit, die die Ergebnisse bereits vorliegender Übersichtsarbeiten bewertet) von Haller et al., 2019 untersuchte die Wirksamkeit verschiedener komplementärer Therapieansätze bei Depressionen. Die Übersichtsarbeit schloss 26 Metaanalysen mit randomisierten, kontrollierten Studien zu schweren, leichten und saisonalen Depressionen ein.6

Letztlich überzeugten nur 2 aller untersuchten komplementären sowie alternativen Therapieansätze bezüglich der Wirksamkeit: Johanniskraut und die kognitive Verhaltenstherapie.6

  • Bei leichten bis mittelschweren Depressionen zeigte sich eine Evidenz für die Wirksamkeit von Johanniskraut vs. Placebo und eine vergleichbare Wirksamkeit gegenüber Standard-Antidepressivum, wobei unter Johanniskraut signifikant weniger unerwünschte Ereignisse auftraten.6
  • Bei rezidivierenden schweren Depressionen war die achtsamkeitsbasierte kognitive Therapie der medikamentösen Standardbehandlung mit Antidepressiva bei der Prävention von Depressionsrückfällen überlegen.6

Hintergrund zur Metaanalyse

Alle in der Metaanalyse untersuchten Studien wurden zwischen 2002 und 2018 durchgeführt und umfassten jeweils 1 bis 49 RCTs mit insgesamt 40-7104 Erwachsenen.6

Die meisten Patientinnen und Patienten litten an einer Major Depression (F32). Daneben waren auch Patientinnen und Patienten mit gemischten Diagnosen einer nicht saisonalen Depression, sowie mit saisonaler Depression und leichten bis schweren Depressionen eingeschlossen.6

Die Wirkungen der jeweiligen Interventionen wurden bis zu einer Behandlungsdauer von 12 Wochen analysiert – mit Ausnahme von 4 Metaanalysen, die RCTs mit Wirkungen bis zu 16, 24 oder 32 Wochen einschlossen, sowie 3 Metaanalysen mit Langzeitanalysen von mindestens 1 Jahr.6

Metaanalyse 2023 zeigt Johanniskraut ist SSRI überlegen

Die Metaanalyse von Zhao et al.2023 untermauert ebenfalls die Empfehlung für die Initialtherapie mit Johanniskraut bei leichten bis mittelschweren Depressionen. In der Analyse wurde die Wirksamkeit von Johanniskraut-Extrakt vs. herkömmlicher SSRI (Citalopram, Paroxetin, Fluoxetin oder Sertralin) untersucht.4

Johanniskraut-Extrakt überzeugte bezüglich seiner Wirksamkeit:5

  • Für Johanniskraut-Extrakt vs. SSRI zeigte sich eine gepoolte Odds Ratio (OR) von 2,44 (95 %-Konfidenzintervall [KI]: 1,33-4,45).
  • Die gepoolte OR für Johanniskraut-Extrakt vs. Placebo lag bei 0,46 (95 %-KI: 0,26-0,83)

Beide Werte hatten eine statistische Signifikanz von p < 0,05. Die statistisch signifikante Sensitivität der Auswertung lag bei 80 %.4

Laut Zhao et al. reduzierte die Einnahme von Johanniskraut-Extrakt neben der klinisch depressiven Symptomatik auch den Hamilton Depression Rating Scale (HAMD)-Score.4 Bei der Verbesserung der Symptomatik und des HAMD-Scores war Johanniskraut-Extrakt sowohl vs. Placebo als auch vs. SSRI signifikant überlegen.4  

Die Behandlung mit Johanniskraut-Extrakt ging mit weniger Nebenwirkungen einher als unter den herkömmlichen SSRI.4

Hintergrund zur Metaanalyse

In die Auswertung eingeschlossen waren 14 randomisierte klinische Studien aus den Jahren 2000 bis 2022. Insgesamt analysierten die Autorinnen und Autoren Daten von 2270 Patientinnen und Patienten mit Depressionen, die entweder Johanniskraut-Extrakt oder die SSRI Citalopram, Paroxetin, Fluoxetin oder Sertralin bzw. Placebo einnahmen.4

Die therapeutisch gleichwertige Wirksamkeit von 900 mg Johanniskraut-Extrakt STW3-VI und SSRI bei mittelschweren Depressionen wurde im Praxisalltag darüber hinaus durch eine prospektive Versorgungsforschungsstudie belegt.5

Johanniskraut vs. SSRI – Die Studienlage im Überblick

Bereits die randomisierte, doppelblinde, placebo- und verumkontrollierte Zulassungsstudie von Gastpar et al., 2007 zeigte eine vergleichbare Wirksamkeit von Johanniskraut-Extrakt vs. der SSRI-Leitsubstanz Citalopram, bei günstigerem Neebnwirkungsprofil.2

In der zulassungsrelevanten Studie war die Wirksamkeit von hochdosiertem Johanniskraut-Extrakt (STW3VI – Laif®900, 900 mg, 1x täglich) bei mittelschweren Depressionen (F32.1, F 33.1) mit Citalopram (20 mg, 1x täglich) vergleichbar:2

  • Bei einer Behandlungsdauer von 6 Wochen war Laif®900 ebenso wirksam wie Citalopram.
  • Die Testung auf Nicht-Unterlegenheit (non-inferiority) von Laif®900 vs. Citalopram war signifikant (p < 0,0001).

Johanniskraut-Extrakt vs. Citalopram überzeugte durch eine deutlich bessere Verträglichkeit.2,3 So traten z. B. Gewichtszunahme oder sexuelle Dysfunktion unter Johanniskraut nicht auf.2,3

Fazit zum Einsatz von Johanniskraut

  • Johanniskraut gehört zu den am besten untersuchten pflanzlichen Arzneimitteln.2,4
  • Basierend auf der umfassenden Datenlage gibt die Leitlinie „Unipolare Depression“ eine Empfehlung für die Initialtherapie mit Johanniskraut bei leichten bis mittelschweren Depressionen.1
  • Bei leichten bis mittelschweren Depressionen kann unter der Therapie mit Johanniskraut-Extrakt eine vergleichbar wirksame Behandlung wie mit SSRI erreicht werden – jedoch signifikant verträglicher und ohne Nebenwirkungen wie Gewichtszunahme oder sexuelle Dysfunktion.2,4,6

Wichtig: Bei mittelschweren Depressionen nur Johanniskrautpräparate einsetzen, die als Arzneimittel für diese Indikation zugelassen sind.1 Diese sind verschreibungspflichtig und GKV-erstattungsfähig.

Quellen:

  1. Nationale VersorgungsLeitlinie Unipolare Depression, Langfassung, Version 3.0, 2022, AWMF-Register-Nr. nvl-005. https://www.leitlinien.de/themen/depression/version-3
  2. Gastpar M et al. Hypericumextrakt STW3-VI im Vergleich zu Citalopram und Placebo bei Patienten mit mittelschwerer Depression. Psychopharmakotherapie 2007; 14: 65-69.
  3. Fachinformation Laif®900, Stand September 2020
  4. Zhao et al. The efficacy and safety of St. John's wort extract in depression therapy compared to SSRIs in adults: A meta-analysis of randomized clinical trials. Adv Clin Exp Med 2023;32(2):151-161.
  5. Kresimon J et al. Versorgung von Patienten mit mittelschwerer Depression unter Therapie mit Hypericum-Extrakt STW3-VI im Vergleich zu selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI) im Praxisalltag. Gesundh ökon Qual manag, 2012; 17: 198-206.
  6. Haller H, Anheyer D, Cramer H, et al.Complementary therapies for clinical depression: an overview of systematic reviews. BMJ Open
    2019;9:e028527.

Bildquelle: © SilviaJansen/ E+ via Getty Image

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