Erst eine Corona-Infektion, dann eine Depression? Bei Patientinnen und Patienten mit Long COVID treten vermehrt depressive Erkrankungen auf.1 Zugelassene Arzneimittel zur Therapie von Long COVID gibt es bis dato noch nicht. Doch der Therapiekompass des Bundesministeriums für Gesundheit listet Medikamente zur Behandlung von Depressionen bei Long COVID und bei 11 weiteren Symptomen.
Erst COVID, dann Asthma, Depressionen & Herzinsuffizienz
SARS-COV-2 scheint nicht nur Lunge, Herz und die Nieren anzugreifen, sondern auch das Gehirn – und das mit Folgen. Nach der Infektion bleiben häufig Symptome zurück. Persistieren diese gesundheitlichen Einschränkungen i. d. R. über 3 Monate, spricht man von Long Covid oder nach WHO-Definition von Post Covid.1
Bevölkerungsbasierte Kohortenstudien legen nahe, dass die Prävalenz von Long COVID bei bis zu 15 % liegt.1 Spezifische Zulassungen für Medikamente zur gezielten Therapie von Long COVID-Symptomen fehlen. Um die Versorgungssituation zu verbessern, hat das Bundesinstitut für Gesundheit (BMG) einen Therapiekompass für die symptomatische Long COVID-Behandlung zusammengestellt.2
Dieser Kompass listet Wirkstoffe zur in Label- & Off Label-Behandlung von 12 Long COVID-Symptomkomplexen, wie z. B.:
- Asthma bronchiale/ COPD/ bronchiale Hyperreagbilität,
- schwere Autoimmunerkrankungen,
- Angst-, Spannungs- & Erregungszustände,
- chronische Herzinsuffizienz,
- Hypercholesterinämie,
- überschießende Immunreaktionen,
- Schmerzen & Schlafstörungen sowie
- Depressionen.2
Mögliche Therapieoptionen finden Sie hier im PDF-Format zum Download.
Long COVID: Was rät der Therapiekompass bei Depressionen?
Bei Patientinnen und Patienten mit Long COVID wurde nach der Akutinfektion auch ein vermehrtes Auftreten von depressiven Erkrankungen beobachtet.2
Sind die Kriterien einer Depression gemäß ICD-10 F32 oder F33 erfüllt, besteht auch bei Erkrankten mit Long COVID die Indikation zur Behandlung mit Antidepressiva (In-Label-Use). Die Autorinnen und Autoren des Therapiekompasses verweisen diesbezüglich auf die In Label-Optionen zur medikamentösen Behandlung von Depressionen (ICD-10 F32, F33) der nationalen Versorgungsleitlinie zur Unipolaren Depression (AWMF-Leitlinienregister).1
Doch wie eine Depression erkennen & diagnostizieren?
Bei Patientinnen und Patienten mit Long COVID können Symptome wie z. B. Stimmungsschwankungen, Antriebsstörungen oder Ängste auftreten – dies jedoch, ohne dass die Kriterien einer Depression nach ICD-10 erfüllt sind. In diesem Fall rät das Autorenteam des Therapieleitfadens strikt von der Verordnung eines Antidepressivums ab.2
Doch wann sind die Kriterien einer Depression erfüllt? Bei einer Depression stehen nach ICD-10 die Hauptsymptome depressive Stimmung, Interessenverlust und Antriebslosigkeit im Vordergrund.3
Um die Kardinalssymptome einer Depression zu erfragen, bieten sich die folgenden Fragen an:3,4
- gedrückte, depressive Stimmung: „Gab es Zeiten, an denen Ihre Stimmung besser oder schlechter war?“
- Interessenverlust, Freudlosigkeit: „Haben Sie in letzter Zeit das Interesse oder die Freude an wichtigen Aktivitäten (Beruf, Hobby, Familie) verloren?“
- Antriebsmangel, erhöhte Ermüdbarkeit: „Fällt es Ihnen schwer, die Aufgaben des Alltags wie gewohnt zu bewerkstelligen?
An die Abfrage der ICD-10 Hauptsymptome knüpft die Erfassung der 7 Nebensymptome an: verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit, vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen, Gefühl von Schuld und Wertlosigkeit, negative, pessimistische Zukunftsaussichten, Suizidgedanken, Suizidhandlungen, Schlafstörungen sowie verminderter Appetit (bezogen auf die letzten 2 Wochen).3,4
Erfüllen die Betroffenen 2 Hauptkriterien und 1 Nebenkriterium, kann von einer leichten Depression ausgegangen werden. Sind mindestens 2 Haupt- und 3 oder mehr Nebenkriterien erfüllt, kann eine mittelschweren Depression vorliegen.3,4
Leitlinienkonforme Therapie mit Antidepressiva
Ist die Diagnose Depression gestellt, sollte zeitnah eine Therapie eingeleitet werden. Der Therapiekompass listet die empfohlenen Substanzklassen exemplarisch mit jeweils der Nennung eines prominenten Vertreters jeder Wirkstoffklasse:2
- Noradrenerge und spezifisch serotonerge Antidepressiva (NaSSA): z. B. Mirtazapin (CAVE: Verstärkung von Fatigue möglich)
- Selektive Noradrenalin-Dopamin-Wiederaufnahme-Hemmer (SNDRI): z. B. Bupropion
- Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSNRI): z. B. Duloxetin
- Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Inhibitoren (SSRI, SARI): z B. Paroxetin, Sertralin
- Trizyklische Antidepressiva: z. B. z.B. Amitriptylin (CAVE: bei Tachykardie & Muskelfatigue)
Neben synthetischen Antidepressiva empfiehlt die Leitlinie zur Unipolaren Depression auch hochdosierten Johanniskrautextrakt für einen initialen Therapieversuch bei leichten bis mittelschwere Depressionen.3
Hochdosierter Johanniskrautextrakt (Laif® 900) hat sich im klinischen Direktvergleich mit Citalopram (20 mg, 1x täglich) bei mittelschwerer Depression als therapeutisch gleichwertig erwiesen – und überzeugte zudem durch eine deutlich bessere Verträglichkeit.5
Depressionen & SARS-COV-2 Infektionen - Wie passt das zusammen?
SARS-COV-2 scheint direkt in den Hirnstoffwechsel einzugreifen. Liuliu et al. (2024) vom Center for Genomic Health (New York) zeigten kürzlich, dass eine SARS-COV-2-Infektion eine Seneszenz in dopaminergen Neuronen auslösen kann. Laut des Autorenteams sei davon auszugehen, dass 5 % der mit SARS-COV-2 infizierten Neuronen kein Dopamin mehr produzieren; stattdessen triggerten sie inflammatorische Signale.6 Daneben deutet eine Publikation von Wong et al. (2023) darauf hin, dass es durch die SARS-COV-2-Infektion auch zu einem Mangel an Serotonin kommen könnte.7
Quellen:
- Long COVID, Robert Koch Institut, Stand: 22.08.2023; https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/FAQ_Liste_Gesundheitliche_Langzeitfolgen.html
- Long COVID - Arzneimittel: Maßnahmen zur Verbesserung der Versorgung von Long COVID-Erkrankten, Therapiekompass Bundesministerium für Gesundheit
- Nationale VersorgungsLeitlinie zur Unipolaren Depression, Bundesärztekammer, Kassenärztliche Bundesvereinigung & Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften, AWMF-Register-Nr. nvl-005, Version 3.2, Stand: 2022
- Volz HP. Depression – Diagnose & Therapie. Fortbildung für Ärzte. Medical Tribune CME-Fortbildung (medical-tribune.de)
- Gastpar M et al. Hypericumextrakt STW3-VI im Vergleich zu Citalopram und Placebo bei Patienten mit mittelschwerer Depression. Psychopharmakotherapie 2007; 14: 65-69.
- Liuliu et al. SARS-CoV-2 infection causes dopaminergic neuron senescence. Cell Stem Cell 31, 196–211.
- Wong et al. Serotonin reduction in post-acute sequelae of viral infection. Cell. 2023 Oct 9:S0092-8674(23)01034-6
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